Welche Barrieren?
c: KIN: Anja Pfaffenzeller in einer Nahaufnahme. Sie scheint seitlich über die Schulter zu blicken.
Anja Pfaffenzeller leitete beim Perspektivforum Behinderung der Evang. Allianz einen Workspop zur Behindertenrechtskonvention (UNBRK). In Gruppen eingeteilt gingen die Teilnehmer verschiedenen Fragen nach, z.B.:
- Welche Barrieren werden in der UNBRK angesprochen?
- Welche Barrieren werden in der UNBRK angesprochen?
- Kennt ihr Beispiele dazu aus dem eigenen Alltag?
- Welche Maßnahmen gibt die UNBRK vor, um die
Barrieren abzubauen? - Wie könnten diese Maßnahmen auf die von euch
gesammelten Beispiele angewendet werden? - Oder seht ihr noch andere notwendige Maßnahmen?
Jede Gruppe versuchte einen Lösungsvorschlag für eine Barriere im Alltag zu erarbeiten und stellte diesen im Plenum vor.
Dabei wurde deutlich, dass es in vielen Bereichen nach wie vor an notwendigsten Dingen fehlt, um Teilhabe zu ermöglichen.
Anschließend hat Jörg Sorge mit der Workshopleiterin gesprochen:
Zur Webseite des Perspektivform Behinderung:
https://perspektivforum-behinderung.ead.de/
Transkript
Sorge: Das Perspektivforum Behinderung der Evangelischen Allianz tagt in Berlin und thematisiert die Behindertenrechtskonvention. Mit dabei ist Anja Pfaffenzeller aus Chemnitz. Sorge: Hallo.
Pfaffenzeller: Hallo.
Sorge: Bevor wir in das Thema einsteigen, erzählen Sie uns doch bitte etwas von Ihnen selbst. Was ist Ihnen im Leben wichtig?
Pfaffenzeller: Also, wo fängt man da am besten an? Ich bin jetzt 45 Jahre alt, gebürtige Franken, lebe jetzt seit fünf Jahren in Chemnitz. Dort bin ich Lehrerin in einer Schule für Blinde und Sehbehinderte. Ich arbeite also gerne mit Kindern und bin auch in der Kirchgemeinde aktiv, einer Freien Evangelischen Gemeinde, und freue mich jetzt hier auch über das Perspektivforum, die Möglichkeiten zu finden, mich mit Menschen auszutauschen, wie Inklusion auch in Gemeinden funktionieren kann. Die UN-Behindertenrechtskonvention (UNBRK).
Sorge: Ja, schwieriger Begriff. Wie würden Sie diesen beschreiben, was ist das?
Pfaffenzeller: Das Motto des Ganzen ist „nichts über uns ohne uns“. Es geht darum, dass Menschen mit Behinderung in Entscheidungen einbezogen werden, dass wir am Leben teilhaben und in allen Bereichen der Gesellschaft teilnehmen können und Mitsprache haben.
Sorge: Sie haben für diese Tagung einen Programmpunkt gestaltet. Was haben Sie da vorbereitet und wie lief der ab? Pfaffenzeller: Ich habe mich mit verschiedenen Artikeln der UNBRK beschäftigt, um damit zu zeigen, wo es vielleicht Barrieren, Hindernisse in unserer Gesellschaft gibt, und welche Möglichkeiten es geben könnte, diese zu beseitigen oder zumindest ein bisschen zu mindern und dabei auch einen besonderen Blick auf Kirchgemeinden gelegt. Als Beispiel ging es um einen Artikel - dessen Nummer habe ich jetzt nicht so ganz parat. Darin geht es um die Informationsbeschaffung, also um freie Meinungsäußerung, was jetzt hier weniger zutrifft. Aber betreffs Informationsbeschaffung: Wenn ich in einer Kirchgemeinde bin, wie komme ich an Informationen über Veranstaltungen heran, kann ich die Lieder lesen, die gesungen werden, kann ich bei Veranstaltungen das Material wahrnehmen, ist die Sprache für jemanden mit einer Lernbeeinträchtigung angemessen und so weiter. Das sind so Punkte, wie man diesen großen Begriff der Meinungs- und Informationsfreiheit real oder ganz konkret machen kann.
Sorge: Es ist in Gruppen gearbeitet worden, was waren denn so die wichtigsten Ergebnisse, die dabei herausgekommen sind oder die Erkenntnisse, die man da gefunden hat?
Pfaffenzeller: Die Gruppen haben sich mit verschiedenen Schwerpunkten befasst. Eine Gruppe hat sich zum Beispiel mit der politischen Beteiligung beschäftigt und fand es da besonders wichtig, dass Wahlen barrierefrei sind, dass man also entweder eine Möglichkeit hat, mit Assistenz zu wählen oder, wie jetzt selbstständig wählt. Selbst wenn eine Assistenz das erledigen muss, ist das noch längst keine Verletzung des Wahlgeheimnisses. Ich weiß von anderen Ländern, die das viel besser können, als wir.
Sorge: Was denken Sie denn, welche Punkte der Konvention für blinde Menschen besonders wichtig sind?
Pfaffenzeller: Für uns sind tatsächlich gerade die Artikel wichtig, in denen es um Information geht, also das Recht auf Meinungsäußerung und Information, weil Blindheit eine Informationsbehinderung ist. An Informationen zu kommen, das geht beim Flyer los, beim Wahlplakat auf der Straße, über die Prospekte im Supermarkt. Das sind ja lauter Dinge, die wir nicht wahrnehmen können. Die Zugänglichkeit, also Barrierefreiheit, ist natürlich auch von der akustischen Ampelsignalanlage, über Blindenleitsysteme wichtig. Der Paragraf der Zugänglichkeit beinhaltet natürlich auch die Inklusion im Schulbereich sowie in der Arbeitswelt. Das wären so ein paar Aspekte, die ich jetzt herausgreifen würde.
Sorge: Diese Konvention ist kein Gesetz, also das klingt nach Vorschrift, nach Politik. Was meinen Sie denn, wie kann man als Betroffener damit umgehen oder gibt es da überhaupt Möglichkeiten, selbst wirksam zu werden?
Pfaffenzeller: Ich meine, internationale Abkommen sind nie automatisch Gesetze. Das heißt, diese müssen dann im Land von der Regierung in Gesetze gegossen werden. Eine Möglichkeit ist natürlich Parteien zu wählen, die Inklusion in ihrem Parteiprogramm haben (und nicht sagen, ja, die Behinderten in ihre Ecke). Das ist sicherlich eine Möglichkeit. Eine weitere ist, auf unterster Ebene vielleicht auch selber aktiv zu werden, sich zu engagieren, an Politiker heranzutreten, ihnen zu sagen, „das ist uns wichtig“; denn diese Leute wissen ja oft gar nicht, welche Bedürfnisse wir wirklich haben.
Sorge: Was ist Ihnen ganz persönlich wichtig in Bezug auf dieses Thema?
Pfaffenzeller: Für mich ist wirklich dieser Punkt „nichts über uns, ohne uns“ ganz besonders wichtig, weil ich denke, dass ganz oft, gerade wir Menschen mit Behinderung, es als furchtbar bequem empfinden, zu warten, dass Dinge für uns erledigt werden. Da kann man sich in der Zwischenzeit so wunderschön darüber beschweren, wenn es nicht klappt.
Sorge: Anja Pfaffenzeller berichtete von der Tagung des Perspektivforums. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Pfaffenzeller: Sehr gerne, vielen Dank.
Veröffentlicht am 19.12.2024 von Sorge, Jörg