Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention in Österreich
Bild c. kina: Erich Schmid ist vor einem Bücherregal im Portrait zu sehen. Seine Augen scheinen nach oben zu blicken, können durch die Blindheit jedoch nichts sehen.
Die Ergebnisse der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention liegen noch nicht vor. Aber die Problemfelder in Bezug auf Inklusion sind bekannt. Prof. Erich Schmid ist Mitglied des unabhängigen Monitoringausschusses in Österreich und einer der Vizepräsidenten des österreichischen Behindertenrates. In diesem Gespräch erläutert er die Situation.
Transscript des Podcasts:
Erich Schmidt sitzt bei mir, er ist Vizepräsident des österreichischen Behindertenrates.
Und ich treffe ihn hier in Wien und wir wollen über eine ganz aktuelle Geschichte sprechen,
nämlich über diese sogenannte Staatenprüfung.
Was ist Staatenprüfung?
Ich möchte vielleicht ergänzen, ich bin nicht nur einer der Vizepräsidenten im österreichischen Behindertenrat,
sondern ich bin auch Mitglied im unabhängigen Bundesmonitoring-Ausschuss.
Also insofern war ich heuer an zwei Stellen mit dieser Staatenprüfung beschäftigt.
Die Staatenprüfung wird in einem gewissen Zeitintervall durchgeführt.
Österreich hat heuer zum zweiten Mal diese Staatenprüfung absolviert.
Was wird geprüft?
Es wird nachgeschaut, ob die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung gut umgesetzt wird,
ob es da Fortschritte gibt.
Und einer der wichtigsten Punkte hier in dieser Staatenprüfung ist natürlich das Thema Bildung.
Und das haben sich der Monitoring-Ausschuss und der österreichische Behindertenrat vorgenommen,
dieses Thema an vorderster Stelle zu platzieren.
Und was ist bei dieser Staatenprüfung dann für Österreich herausgekommen?
Was genau herausgekommen ist, das wissen wir noch nicht,
denn die Handlungsempfehlungen werden erst veröffentlicht.
Aber man konnte schon an der Unruhe des Leiters, dieser Prüfungskommission, erkennen,
dass er nicht ganz zufrieden war, wie sich Österreich hier weiterentwickelt.
Natürlich, die Regierung, die Ministerien haben ihre Standpunkte natürlich von der schönsten Seite dargestellt.
Die Zivilgesellschaft eben durch den österreichischen Behindertenrat hat zwangsläufig verschiedenes ganz anders gesehen.
Und der unabhängige Monitoring-Ausschuss hat auch verschiedenes ganz anders gesehen.
Das Ergebnis werden sogenannte Handlungsempfehlungen sein.
Österreich hatte schon einmal eine Staatenprüfung, 2013, da gab es schon Handlungsempfehlungen.
Und es wurden leider nur sehr wenige Handlungsempfehlungen seit 2013 umgesetzt.
Wir müssen bedenken, dass Bildung ein ganz wichtiger Schlüssel dafür ist,
dass Menschen mit Behinderung sich in die Gesellschaft integrieren.
Heute spricht man von Inklusion.
Jedenfalls ist Bildung ein wichtiger Schlüssel.
Nun, sind Sie selbst blind und wir wenden uns auch mit unseren Beiträgen hauptsächlich an blinde Menschen,
beziehungsweise solche, die Blinde auch unterstützen möchten.
Was bedeutet denn die Staatenprüfung beziehungsweise die Handlungsempfehlungen,
vielleicht konkret eben für Menschen mit Sehbehinderungen oder blinde Menschen?
Im Einzelnen gibt es sehr viele Punkte.
Wir werden sehen, wie viele dann in diese Handlungsempfehlungen aufgenommen werden.
Aber zum Beispiel die Aufbereitung von Materialien in digitaler Form.
Wir haben in Österreich große Freiheiten, zum Beispiel bei Schulbüchern
und jeder Verlag kocht sozusagen sein eigenes Süppchen,
sodass ein blinder Mensch, wenn das jetzt zum Beispiel ein Online-Buch ist,
sich durch die verschiedensten Weboberflächen durchkämpfen muss,
um zu den Inhalten zu gelangen, wenn ihm das überhaupt gelingt.
Ein anderer Punkt sind Prüfungsbedingungen zum Beispiel.
Es gibt Zeitverlängerungen, es gibt Unterstützung bei Prüfungen.
Ein ganz wichtiger Punkt ist die Assistenz.
Es gibt in Österreich leider verschiedenste Formen der Assistenz,
bisher persönliche Assistenz, Assistenz am Arbeitsplatz usw.
Es wird immer unterschiedlich geregelt.
Österreich hat noch ein Problem, das ist so wie Deutschland auch.
Wir sind ein föderaler Staat, d.h. die Kompetenzen der Bundesländer
sind diesen Bundesländern natürlich sehr wichtig und die wollen sie auch nicht leicht aufgeben.
Aber die Republik Österreich hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet im Jahr 2008.
Und das bedeutet natürlich auch, dass die Bundesländer das umsetzen müssen.
Das geschieht leider unterschiedlich.
Also z.B. der Ankauf oder zur Verfügungstellung eines Blindenhilfsmittels.
Da ist es ein Unterschied, ob ich in Niederösterreich wohne
oder 10 km weiter in Burgenland.
Das ist nicht gesagt, dass das selbe Hilfsmittel
dann diesem Schüler zur Verfügung gestellt wird.
Haben Sie Hoffnung, dass in einer absehbaren Zeit
eine Verbesserung für die betroffenen Menschen eintritt?Und was wäre für Sie das Wichtigste, was man als Erstes in Angriff nehmen sollte?
Wenn ich keine Hoffnung hätte, dann würde ich mich gar nicht
in diesem Bereich engagieren.
Also ich habe Hoffnung, aber es wird schon noch eine gewisse Zeit dauern.
Ich denke, die zwei Schlüssel sind einmal die Assistenz.
Das betrifft nicht nur Schüler, sondern alle Altersgruppen.
Es gibt von Bund gewisse Initiativen in diese Richtung.
Leider schließen sich nicht alle Bundesländer den Vorschlägen
und Vorgaben des Bundes bisher an.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und das Zweite ist die größere Steigerung der Barrierefreiheit.
Sei es in Bildungsmaterial, sei es in Webseiten,
sei es in Gebäuden und so weiter.
Das sind aus meiner Sicht die zwei wichtigsten Pfeiler.
Wir haben gesprochen über die UN-Behindertenrechtskonvention
und die in diesem Zusammenhang stehende Staatenprüfung.
Und zwar mit Erich Schmidt,
einem der Vizepräsidenten des österreichischen Behindertenrates.
Ich danke Ihnen ganz herzlich.
Gerne.
Für weitere Informationen möchte ich hier die Webadresse des Ausschusses angeben,
in dem sich Prof. Schmidt engagiert.
www.monitoringauschuss.at
Monitoringauschuss in einem Wort.
Und der österreichische Behindertenrat ist erreichbar unter
www.behindertenrat.at
Auch hier Behindertenrat in einem Wort.
Und Punkt AT für die österreichische Länderkennung.
Mein Name ist Jörg Sorge.
Und das war ein Beitrag für das KOM-IN-Netzwerk, im
Internet zu finden unter
www.kom-in.de
Veröffentlicht am 14.09.2023 von Sorge, Jörg